Was lernen wir, wenn wir unsere Perspektive radikal auf die Perspektiven jener Frauen werfen, die in der post-faschistischen Zeit als Gastarbeiterinnen oder Vertragsarbeiterinnen nach Deutschland kamen? Was lernen wir von den Frauen, deren Väter, Brüder und Ehemänner durch den sogenannten NSU ermordet wurden, und deren Wissen und Analysen sich in der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung nicht durchsetzen?
In ihrem Beitrag sprechen Ayşe Güleç und Aurora Rodonò über solidarische Allianzen und Räume im Kontext der anti-rassistischen Bewegung Tribunal NSU-Komplex auflösen sowie über das Zuhören als politische Praxis. Darüber hinaus nehmen sie den strukturellen institutionellen Rassismus in seiner Kontinuität wie auch als Gewalt- und Regierungsform in den Blick und die damit einhergehende Markierung der Geschlechter. Dabei diskutieren sie die vielfache Unsichtbarmachung von Frauen innerhalb der Mastererzählung der Migration und die Relevanz der migrantischen Kämpfe von Frauen für den Emanzipationsprozess in der Bundesrepublik.
Ayşe Güleç ist als forschende Aktivistin und Kulturarbeiterin in selbstorganisierten Initiativen in den Bereichen Migration, Postkolonialismus, Anti-Rassismus und Kunst wie z.B. in der Initiative 6. April und dem Tribunal NSU-Komplex auflösen aktiv. Sie war als Community Liaison im Artistic director office der documenta 14 in Kassel tätig. Sie studierte Sozialpädagogik an der Universität Kassel und begann ab 1998 im Kulturzentrum Schlachthof im Bereich Migration und (inter-)kulturelle Bildung zu arbeiten. Sie entwickelte den documenta 12 Beirat und war in Folge dessen die Sprecherin. Sie wurde Mitglied der Maybe Education Gruppe der dOCUMENTA (13) und bildete einen Teil der Kunstervermittler*innen aus.
Aurora Rodonò ist Lehrbeauftragte am Institut für Kunst und Kunsttheorie/Universität zu Köln und freie Kulturarbeiterin in den Bereichen Migration, Anti-Rassismus, Kunst; 2012 bis 2014 Projektreferentin bei der Akademie der Künste der Welt; 2003 bis 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Forschungs- und Ausstellungsprojekt »Projekt Migration« (Köln 2005). Sie ist Teil der Initiative Tribunal »NSU-Komplex auflösen«. Diverse Publikationen/Vorträge zur Migrationsgeschichte, zum Migrationskino und zu Fragen einer antirassistischen Re/Präsentation.